2023 – INSEL LA RÉUNION

„Pardon, Madame, können Sie mir bitte sagen, wo hier der Markt ist?“ Ich schaue den Mann total verblüfft an. Über 10.000 km bin ich von meinem Wohnort entfernt, stehe vor dem sehr originellen Fremdenverkehrsbüro  in einer Stadt, in der ich vor knapp 50 Jahren mal war und ausgerechnet mich sucht er sich für seine Frage aus?

Offenbar mache ich einen angenehmen und harmlosen Eindruck auf meine Mitmenschen, denn das passiert mir nicht zum ersten Mal. Meistens gebe ich auch die richtige Antwort. Diesmal allerdings schieβe ich zu schnell: „Ja gerne, ganz da vorne am Ende dieser Straβe, aber leider nur am Samstagvormittag.“ Das stimmt zwar, bezieht sich aber nur auf den gröβten Freiluftmarkt der Insel. Es gibt hier, in SAINT PIERRE (Schutzpatron der Fischer, Schlosser und Maurer) auch noch einen überdachten Markt, der jeden Tag geöffnet ist, was ich nicht wusste –  also wird der arme Mann wohl in einen Supermarkt gehen müssen. Tut mir leid.

Während wir auf der Uferpromenade der Stadt spazieren, freuen wir uns, dass es zwar nur mal gerade zehn Minuten sonnig ist, aber wenigstens nicht mehr regnet. Ich muss daran denken, wie wir vorgestern Nacht im Flugzeug bei 1016 Stundenkilometern und auf 9447 Metern über dem Meer mit Champagner auf unsere Reise angestoβen haben, das war stilvoll. Und wie wir gestern Mittag bei strahlender Sonne in SAINT DENIS  (Schutzpatron der Könige von Frankreich) genau so strahlend unseren bequemen Golf entgegen genommen haben.

Wir fahren auf der nagelneuen „Route Nationale 1“ gen Süden. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus. Das letzte Mal war ich vor 47 Jahren hier. Damals hieβ sie einfach „die Küstenstraβe“, auf der man noch viele kleine Tunnel zu durchqueren hatte und auf der man eine Schüttelmassage gratis bekam…. Ich war auf Tour und habe 17 Konzerte in 12 Tagen überall auf der Insel gegeben, zum Teil unter sehr primitiven Umständen.

Jetzt haben sie mit diesem Neubau, der Milliarden gekostet hat, die Berge um Kilometer zurückgedrängt – ein gigantisches Unterfangen ! Die Städte, durch die wir kommen, stehen leider in ihrer Hässlichkeit – was die Betonbauten angeht – denen der Île de France in nichts nach. Ich kann nur hoffen, dass die kleinen Ortschaften abseits dieser Schnellstraβe ihren urtümlichen Charakter behalten haben.

Für uns ist es herrlich, diese fast leere Strecke vor uns und den Indischen Ozean neben uns zu haben. Doch je mehr wir uns unserem Ziel nähern, desto länger werden unsere Gesichter: die Sonne verschwindet hinter Wolken, es fängt an zu nieseln und schlieβlich landen wir in ST. JOSEPH (Schutzpatron der Zimmerer und Tischler) bei prasselndem Regen. Oh Schietkram, so hatten wir uns das nicht vorgestellt !

Glücklicherweise sind unsere Tauschpartner Maxime und Isabelle sehr zuvorkommend. Letztere zaubert in Windeseile ein leichtes Mittagessen für uns auf der überdachten Terrasse vor ihrem Haus mit Blick auf den Pool und unseren Bungalow.

Derselbe ist sehr schlicht eingerichtet, aber auch hier hat Isabelle uns mit einer Flasche „Rum arrangé de Charette“ (dem besten der Insel, es ist der mit dem himmlischen « Flambierte-Banane-Geschmack » !)  und einer exotischen Obstschale verwöhnt. Sie und Maxime sind Lehrer am Gymnasium im Nachbarort, allerdings ist Maxime seit über einem Jahr krankheitsbedingt beurlaubt. Daher bietet er sich netterweise zweimal als „Taxi“ an, um uns die Stadt und die dortigen „Take aways“ zu zeigen, denn in unserer Mini-Küche mit einer einzigen Kochstelle, einer Kasserolle und einer Pfanne werden wir nicht viel zubereiten können.

SAINT PIERRE

Auch am nächsten Morgen nieselt es immer noch und uns fällt die Decke auf den Kopf. Daher machen wir uns mittags zur Entdeckungsreise nach St. Pierre auf. Der Ort liegt nur 20 km von unserer „Wetterecke“  entfernt und daher können wir einen schönen langen Spaziergang am Meer und im Ortsteil „Terre Sainte“ ohne Regen machen.

Da ich mich über den Namen wundere, mache ich mich über Wikipedia schlau: die Bezeichnung des Stadtteils Pierrefonds hat nichts mit dem Heiligen Land zu tun. Sie kommt aus der malagassischen Sprache und bedeutet etwas völlig anderes, nämlich « terasisindrano – auf der anderen Seite des Flusses“. Dieser heiβt „rivière d’Abord“  und flieβt mitten durch die Stadt. Die Terre Sainte ist der älteste und besonders malerische Teil von St. Pierre. Hier wohnen hauptsächlich Fischer und Handwerker.

An den riesigen Gummibäumen können wir uns gar nicht satt sehen. Wir kaufen Honig mit Litchigeschmack in einem kleinen Laden und gehen durch die hübsche kleine Fischerkreuzgasse zurück zum Wagen.

DER VULKAN

Auch die nächste Nacht strömt der Regen nur so herunter, aber gegen Mittag hört er endlich auf und wir fahren diesmal in die andere Richtung, nach Südosten. Dazu muss man wissen, dass La Réunion im wahrsten Sinne von der Form her ein « Ei-land » ist und es nur eine einzige Straβe gibt, die sie völlig umrundet. Fast alle anderen sind Stichstraβen in die Berge. Ausnahme ist die Nationalstraβe 2, die von Südwesten nach Nordosten führt und dementsprechend überlaufen ist.

Man sieht unten rechts ganz deutlich den Kegel des Vulkans und wir wohnen davon etwas links, dort wo der erste braune Ausläufer des Vulkans an das Meer stöβt. Wir fahren heute also von SAINT JOSEPH nach SAINT PHILIPPE ( Schutzherr der Hutmacher und Konditoren).

Ab hier gibt es keine Autobahn mehr, sondern eine sehr schöne Landstraβe, auf der erheblich weniger Verkehr herrscht. Üppige Natur umgibt uns auf einmal und keine Betonklötze mehr, sondern kleine Häuser, die hier üblichen « cases ».

Ich habe das Gefühl, dass sich auf dieser Südostseite der Insel nicht sehr viel geändert hat seit fast 50 Jahren. Das hat natürlich mit dem Vulkan zu tun. Die Menschen, die hier unterhalb des « Monsters » (so wird er hier auch genannt) wohnen, zum Teil im Gefahrenbereich, wissen, was das heiβt. Sie leben in Häusern, die keine Versicherung akzeptiert, weil sie zu nahe am Lava-Bereich gebaut sind. Falls es zu einem Ausbruch kommt, verlieren sie alles !! Von hier unten kann man den Gipfel nicht sehen, aber auch so ist er sehr beeindruckend. Wir fahren bis zur letzten « coulée » von 2022, denn jeder Ausbruch bekommt eine Tafel mit der Jahreszahl.

Eine Gruppe von Senioren stöbert im Lavagestein. Uns bedrückt diese Atmosphäre eher, wir belassen es dabei und drehen um. Wir kaufen Vanille im nächsten Dorf, bei einer besonders netten Verkäuferin, die uns über die Pflanze aufklärt. Selbstredend ist die « Vanille BOURBON  » (so der alte Name der Insel) die beste der Welt, klar ! Wir erfahren, dass sie eigentlich eine aus Mexiko stammende Orchidee ist und dass es im Wesentlichen zwei Arten für ihren Anbau gibt: unter einem Schatten spendenden Dach oder im Unterholz, wobei die Bäume der langen Liane als Stütze dienen.

Danach finden wir einen kleinen aber feinen Botanischen Garten, den wir eine Weile durchstreifen und uns an den Düften laben, denn, obwohl es wieder sehr bewölkt ist, duftet die Erde durch die feuchte Wärme.

Natürlich gibt es auch hier Vanille und nun wissen wir schon, dass es ein junger Mann dieser Insel war, Edmond Albius, der1841 das Verfahren zur künstlichen Befruchtung der Vanille entwickelte. Man muss « nur » mittels eines kleines Stäbchens die männlichen und weiblichen Organe einer Blüte miteinander in Berührung bringen. Bald wird die Blüte eine grüne Schote bilden, die reif geerntet wird – und sehr teuer ist eben wegen der Befruchtung von Hand !

In den 30er Jahren produzierte die Insel stolz 3/4 der weltweit bekannten und beliebten Bourbon-Vanille, nämlich 1200 Tonnen. Heutzutage kultivieren ca.170 Bauern die Schoten auf ungefähr 190 Hektar Land – und gerade die vulkanische Erde des Südostteils der Insel hat diese Pflanze am liebsten.

Am nächsten Morgen präsentiert sich der Himmel endlich von seiner allerbesten Seite. Und das ändert natürlich alles. Im Pool schwimmt wie jeden Morgen (auch bei Regen !) Isabelle eine Stunde lang, während wir, am Fenster hängend, versuchen, mit ihrer Box Kontakt zur Aussenwelt zu bekommen, denn im Häuschen gibt es keine. Wir bringen die Dusche und das Frühstück im Eiltempo hinter uns, und dann geht es stracks ans Meer.

DIE LAGUNE – Le LAGON

Auf dem Weg zum schönsten Strand der Insel – der HERMITAGE heiβt und an « der Lagune » liegt, die ich noch in allerbester Erinnerung habe ! – kommen wir zum ersten Mal mit dem infernalischen hiesigen Verkehr in Berührung. Es gibt zwar Busse, aber nicht genügend, weil es sich nicht rentiert, denn jede Familie hat mindestens (!) 2 Autos, oft mehr plus Motorräder. Zu den Stoβzeiten ist die Verkehrslage nicht besser als die von Paris und auch ausserhalb derselben brauchen wir doch für die 80 km bis anderthalb Stunden, denn die Autobahn fängt, von uns aus gesehen, erst hinter ST. PIERRE an.

Trotzdem ist der Weg nicht nur landschaftlich schön, sondern oft auch angenehmer als in unserer « Insel Frankreichs », also in der Île de France, 50 km rund um Paris herum, wo 12 Millionen Menschen leben und Auto fahren. Hier leben – auf ca. 2.500 km² weniger als 1 Million und ihr Fahrverhalten im Verkehr ist — eine Wohltat ! Hier gibt es kein nervöses bis hysterisches Gehupe, weder Stinkefinger noch Kraftausdrücke, im Gegenteil : hier wird GELÄCHELT, mit einer Handbewegung die Vorfahrt gelassen und der Andere dankt ebenfalls per Handzeichen und Lächeln. Unglaublich, aber wahr ! Man kalkuliert einfach ein, dass man von Saint Joseph bis SAINT LOUIS ( Schutzpatron der Franziskaner) frühmorgens für die 35 km schon mal zwei Stunden brauchen kann, das ist eben so und basta.

Die Einwohner der Insel haben keinen Namen. DEN Reunionesen gibt es nicht, sondern jeder hat seinen Namen, je nach Herkunft. Cafre (Kaffer) : Abkömmlinge von schwarzen oder madagassischen Sklaven, Zarabe (Araber) : von muslimischen indischen Immigranten abstammend, Malbar : Nachfahren von verpflichteten indischen  » Gast »- Arbeitern, Yab oder Ti Blanc des Hauts (kleiner weiβer Mann der Hänge) : Abkomme der bescheidensten unter den Siedlern, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Höhenzügen der Insel niedergelassen haben. Chinois : ein Reunionese chinesischen Ursprungs. ZOREIL (Ohr) : Franzosen und alle Europäer, die den hiesigen Dialekt nicht verstanden, daher die Hand ans Ohr hielten und « Hä?? » riefen — so jedenfalls geht die Sage.

Wenn man das alles weiβ und noch dazu, dass sämtliche Religionen hier FRIEDLICH nebeneinander existieren und miteinander leben, kann man nur bewundernd sagen « Es geht also doch ! »

Unter derart philosophischen Betrachtungen kommen wir nun in SAINT GILLES (Schutzpatron der Krüppel und Kranken) an und Mi ist sofort begeistert von der Lagune. Sie ist durch das groβe Korallenriff, das sich kilometerweit im Meer an der Westseite der Insel hinzieht, gegen die Haie geschützt. Wir können also in aller Ruhe schwimmen, uns unter den Filaos im Halbschatten bräunen lassen.

Ja, wenn wir wollen, bekommen wir CRÊPES, denn es gibt zehn Meter weiter einen Wagen, vor dem eine echte Bretonin sie frisch zubereitet. Hach, und das alles im November !! Noch dazu kommt dieser himmlische Drachenflieger. Vergessen sind die Regentage, uns geht es gerade blendend !

11. NOVEMBER

Am nächsten Morgen geraten wir in SAINT PIERRE, wo wir des Marktes wegen noch einmal sind, mitten in die Siegesfeier zu Ehren des 11. November 1918 (!!), damit wir auch ja nicht vergessen, dass diese Insel eine französische Kolonie — äh, pardon, ich wollte natürlich sagen « ein Teil Frankreichs » ist.

Es ist knallheiβ an diesem Samstag und auf dem Markt ist ein solches Gewühl, dass wir uns nach einer halben Stunde aufatmend zu einem kühlen Trunk niederlassen und nur noch gucken.

Am Nachmittag aalen wir uns zuerst im Pool, da unsere Nachbarn nicht da sind. Später werden wir von Maxime zur « Cascade du Grand Galet » gefahren, einem sehr beeindruckenden Wasserfall (eigentlich sind es mehrere), der sich von dem 60 m hohen Hang des Vulkans in die Tiefe stürzt.

DAS STÄDTCHEN « ZWISCHEN ZWEI » (Flüssen) – L’ENTRE DEUX

Inzwischen hat es sich leider schon wieder bezogen und wir fragen Isabelle, was wir uns wohl morgen anschauen könnten. Sie rät uns, die « National 2 » zu nehmen, die von SAINT PIERRE nach LE TAMPON und von dort mit einem Abzweig zum Städtchen ENTRE DEUX führt. Sie beschreibt es auch bei bezogenem Wetter als ausgesprochen malerisch und wir sind gespannt.

Tatsächlich fällt uns das ca. 400m hoch gelegene Dorf von 7000 Einwohnern als erstes angenehm durch seine riesigen blühenden Bäume auf.

 

Diese Palme heiβt « Der Wanderer-Baum » – L’arbre voyageur, wohl weil er aus MADAGASCAR mit den ersten Ankömmlingen eingewandert ist – es sind ja auch nur schlappe 900 km Luftlinie zwischen den beiden Inseln.

Wir erfreuen uns an den schönen Häusern und Gärten, die Blumen sind eine Pracht. Am Sonntagmorgen sind kaum Spaziergänger unterwegs und wir stellen amüsiert fest, dass dieser Ort ein Eldorado für alle Yoga-Pilates-Meditation-Fans ist, so ähnlich wie Ubud auf Bali.

Ein ganz besonders schöner Baum ist der YACARANDA, auch « Flamboyant bleu » genannt. Er blüht nur im zeitigen Frühjahr, soll heissen jetzt hier und im Feburar in NIZZA !

Da uns die Fahrt durch diesen Teil der Insel gut gefällt – vor allem, weil am Sonntag der Berufsverkehr entfällt – beschlieβen wir, noch weiter hinauf zur Plaine des Cafres (der Kaffernebene) zu fahren, wo sich die schwarzen Sklaven im 18. Jahrhundert versteckten. Leider müssen wir umdrehen, bevor wir dort ankommen: strömender Regen und Nebel sind die Ursache.

Wir flüchten ans Meer, machen dort ein Ananas-Picknick und schauen den Einheimischen zu, die sich – ganz wie auf Mauritius vor drei Jahren köstlich – aber OHNE laute Musik – amüsieren.

Danach machen wir es wie alle Anderen und schauen einfach dem Meer zu, wie es sich, ohne zu ermüden, tagtäglich an den Felsen bricht… Der Tag darauf ist strahlend schön und wird wieder an unserem wunderbaren Strand « Hermitage » verbracht.

CILAOS

Wir waren heute Morgen am Busbahnhof von SAINT LOUIS (da müssen wir ja sowieso immer durch) und haben uns schlau gemacht, wie wir am besten zum Talkessel von CILAOS (LE CIRQUE DE CILAOS) kommen. Ich habe nämlich Mi davon vorgeschwärmt, denn dort war ich vor 47 Jahren nicht als Sängerin, sondern schon als Touristin und sehr beeindruckt von der ursprünglichen Majestät dieser Landschaft !

Deshalb möchte ich auch nicht, dass Mimi unser Auto dahin fährt, denn « die Straβe der 400 Kurven » , wie sie hier genannt wird, ist mörderisch und verlangt volle Konzentration. Also würde sie überhaupt nichts von der Schönheit sehen. Das wäre doch zu schade.

Wir haben Glück und ergattern die zwei Plätze ganz vorne im Bus. Allerdings hat man von hier aus nicht nur die Sicht auf die Landschaft, sondern auch auf die Haarnadelkurven und wir bekommen hautnah mit, wie der Fahrer das Lenkrad kurbeln, ja manchmal fast herrumreiβen muss, um die Kurve zu kriegen.

Grün und wild ist es um uns herum – und dann kommen die Tunnel, in denen wir das Gefühl haben, dass der Bus nur mit Schmierseife an den Seiten durchkommen kann …er quält sich wirklich langsam Meter um Meter vorwärts.

Aber nein, wir kommen jedesmal wieder ans Licht und es geht höher und höher, denn unser Ziel, das Dorf Cilaos, liegt auf 1200 m Höhe. Das Meer schimmert schon weit, weit unter uns am Horizont.

In JEDER der uneinsehbaren Kurven hupt unser Fahrer laut. Hin und wieder kommen wir durch ein Dorf. Um dort auszusteigen, klatschen die Einheimischen sehr laut und gebieterisch zweimal in die Hände, anstatt den elektischen Knopf zu benützen, den es natürlich auch in diesem Bus gibt. Ich frage mich wirklich, wie man in solch einer Einöde leben kann, in Berge eingekesselt und durch nur diese eine Fahrstraβe mit der Welt verbunden….

Immer höher geht es hinauf, immer spektakulärer wird die Landschaft – bis auf einmal in dem riesigen Talkessel unser Ziel vor uns liegt, das 5000-Seelen-Dorf CILAOS.

Nachdem wir ausgestiegen sind, kann ich es nicht lassen und wechsle ein paar Worte mit unserem Fahrer, auch um uns zu bedanken. Er erzählt mir, dass sich 3 Fahrer pro Tag abwechseln, jeder muss die Strecke zwei Mal fahren, das sind 6 Stunden im Ganzen – und wir haben heute relativ schönes Wetter. Wie muss das bei Regen und Nebel sein…!

Wir gehen durch das Städtchen, begegnen den Schülern des einzigen Komplexes von Grund- und Mittelschule sowie Gymnasium und freuen uns über die schönen alten Häuser und Villen mit blühenden Gärten. Wir gehen in das kleine Museum – dort hängt die « Eilandkarte » vom Anfang – und lernen etwas über ein sehr spezielles Fortbewegungsmittel, bevor es Busse und – ab Anfang der 60er Jahre – Helikopter gab , nämlich « la chaise à porteurs », das heiβt die SÄNFTE. Man stelle sich vor, dass Männer die Kranken, die zum Teil hier im Thermalbad eine Kur machten, vom Tal her 30 km weit hinauf trugen ! Das Foto zeigt eine Luxusausführung, die normalen waren viel schlichter.

Bis 1932 war die Reise nach Cilaos eine echte Expedition, denn man musste zunächst den Zug von Saint Denis nehmen, um nach St. Louis zu gelangen. Man übernachtete bei Freunden oder in einer einfachen Pension, da es keine Hotels gab. Um 5 Uhr morgens fuhr man mit einem Maultierkarren (mit dem gesamten Gepäck für einen Aufenthalt in Cilaos) zum Plateau des Aloès – in ca. 200 m Höhe – wo die Träger, die am Vortag benachrichtigt worden waren, auf ihre Kunden warteten. Der Abmarsch mit der Sänfte erfolgte also um 6 Uhr morgens. Im Allgemeinen waren es wohlhabende Leute, Kurgäste und Touristen. 12 Träger, die sich untereinander abwechselten, waren im Durchschnitt nötig, um eine Person bis nach Cilaos zu transportieren. Bei jedem Halt gab es den « P’tit coup sec« , also ein Glas Rum, um die Stimmung zu heben, so gefährlich war der Weg.
Der Preis richtete sich nach dem Gewicht der Person: Er betrug 1,50 F pro Kilogramm. Wenn eine Person 80 kg wog, musste sie 1,50 x 80 =120 F bezahlen, was nur 10 F pro Träger bedeutete – ein mehr dürftiger Lohn für diese Anstrengung: 1000 Höhenmeter mussten auf kleinen Pfaden überwunden werden !!

François Séry, der am 4. Oktober 1905 in Cilaos geboren wurde, war der letzte Sesselträger. Er hatte die Freude, seinen 100. Geburtstag im Jahr 2005 im Kreise seiner Familie zu feiern. Als Sohn eines Sesselträgers arbeitete er schon in jungen Jahren mit seinem Vater zusammen. Er hatte eine solide Konstitution und war ein großer, kräftiger und widerstandsfähiger Mann. Bereits mit 15 Jahren half er seinem Vater beim Transport von kranken Menschen zu den Thermen von Cilaos. Damals erhielt er « immerhin » 15 Francs pro Personentransport. Diesen Beruf übte er bis 1960 aus, d. h. bis zum Einsatz der ersten Hubschrauber.

Wir kosten beim Mittagessen die berühmten « lentilles de Cilaos« , die hier angebauten Bio-Linsen und kaufen welche für Zuhause. Auf dem Rückweg bezieht sich der Himmel schon wieder, jedenfalls hier oben, denn als wir am Meer ankommen, leuchtet die Abendsonne trotz drohender Wolken.

BOTANISCHER GARTEN « DOMAINE DU CAFÉ  GRILLÉ « 

Auch heute ist das Wetter leider nur schwül-warm aber nicht sonnig genug für einen Strandtag, also machen wir uns auf, um den 4 Hektar groβen Botanischen Garten zu entdecken. Schon die Eingangshalle ist angenehm und originell gestaltet. Wir bekommen einen Film zur Einführung zu sehen. Die Anlage wurde von einem begeisterten Gärtner namens Monsieur LUSPOT gestaltet, der erst seine gesamte Familie und dann sämtliche Mitarbeiter motiviert hat. Wir profitieren davon.

Ein dienstbarer Geist bringt uns in den Garten, in dem uns eine überwältigende Fülle von Blumen, Sträuchern und Bäumen erwartet. Wir gehen fast zwei Stunden staunend und beglückt spazieren in dieser Pracht.

Egal ob es sich um die « Elefanten-Palme » oder um den Bambus-Garten handelt, in dem man, wenn man seine Hand lange genug an den Stämmen lässt, von buddhistischer Ruhe erfüllt werden soll (hat bei mir leider nicht geklappt…), alles ist interessant und schön.

Zum Abschied müssen wir natürlich den Haus-Kaffee « Rond la Kour » und « Pointu la Kour » probieren. Wir finden ihn — gut, Punkt.

16. NOVEMBER

Das darf doch nicht wahr sein ! Ich bin zehntausend Kilometer geflogen, um meinen Geburtstag zum zweiten Mal in meinem Leben in der Sonne zu feiern – und nun strömt der tropische Regen so dicht herunter, dass wir fast Isabelles Haus gegenüber nicht mehr sehen können. Glücklicherweise hat Mimi das Allheilmittel bereit : ein Glas rosa Champagner und eine rosa Blume zum Frühstück. Der hebt die Stimmung sofort !!

Mittags fahren wir zu einem Restaurant, das uns empfohlen wurde und auf dessen Terrasse mit Blick auf den Indischen Ozean wir essen wollten. Das fällt natürlich aus, doch der sehr pikante « Palmensalat » schmeckt auch drinnen gut. Eigentlich sollte man ihn ja gar nicht essen, denn die Palme – die wir gestern im Botanischen Garten in natura sahen und die heutzutage extra für den Verkauf angebaut wird – muss erst einmal vier Jahre wachsen, bis man das Herzstück herausschneiden kann. Man sieht es deutlich auf dem Foto: der hellgrüne Teil oben am Stamm – und dafür muss dann der ganze Baum gefällt werden.

Diese Speise ist teuer wegen ihrer Seltenheit, und der Verkauf des « Palmkohls » wird streng geregelt und überwacht. Ich werde ihn auch nur einmal in meinem Leben essen. Versprochen!

Die Frühlingsrollen und die Fleischtaschen sind hier besonders geschmackvoll, was in den Garküchen, in denen wir uns tagtäglich versorgen (müssen), nicht immer gegeben ist. So allmählich habe ich Geschmacksfantasien von Bratkartoffeln !!

DIE LETZTE BUCHT

Das Wetter hält uns bis zum letzten Tag zum Narren. Gestern war es endlich sonnig, aber am Strand so windig, dass wir ins Innere unter die Bäume flüchten mussten und nicht genüsslich baden konnten. Und heute, am Abreisetag, ist es so zauberhaft schön wie man es sich nur wünschen kann !

Also genieβen wir die Fahrt über die Ostseite der Insel – damit wir sie wenigstens einmal ganz umrundet haben und bekommen heute einen heiteren Blick vom Vulkan.

Und bevor wir die Städtchen der WEIBLICHEN Heiligen durchfahren, mit

SAINTE ROSE (Schutzheilige , die bei Familienkonflikten angerufen wird)

SAINTE ANNE ( Schutzheilige der Groβmütter und Seeleute)

SAINTE SUZANNE (Schutzheilige der Verlobten),

deutlich weniger vertreten als ihre männlichen Kollegen auf der Insel (ähem), kommen wir noch zu einem ganz besonders schönen Platz, nämlich der BUCHT DER 10 WASSERFÄLLE.

Wir bekommen auch noch etwas ganz Besonderes zu sehen, nämlich einen Palmenhain mit ROTEN Stämmen. In Wirklichkeit sind es Flechten, welche diese optische Illusion auslösen.

Etwas später kommen wir im Örtchen SAINTE ROSE zu zwei dem Meer zugewandten Kanonen, die daran erinnern sollen, wie oft die Insel BONAPARTE (so hieβ die Insel noch 1809) je nach Wahl von Piraten oder von den Engländern angegriffen wurde.

Auch meinen geliebten FLAMBOYANT-Baum bekomme ich auf den letzten Drücker noch vor die Linse – hier ist ja Frühling, er hat erst vor einer Woche angefangen zu blühen – und so gondeln wir quietschvergnügt am Meer entlang, dem Flughafen Saint Denis und PARIS entgegen.

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