2025 – BERLIN UND MÄRKISCH-ODER

Liebe Franzosen,

Wenn Sie die französischen Autobahnen mal satt haben sollten, kann ich Ihnen wirklich nur die deutschen empfehlen : Es sind 120 (!) und alle sind gratis ! Ja klar, Raser gibt es hier wie dort und die Lastwagen kann man gar nicht alle zählen… deren Eigentümer aus Polen, der Türkei und Rumänien  freuen sich nämlich auch über das gesparte Geld.

Aber ich kann noch andere Vorzüge nennen : In Düsseldorf zum Beispiel ist die U-Bahn klimatisiert (!) und in Berlin HALTEN die Radfahrer noch an der roten Ampel – davon können wir Pariser nur träumen…!!Genau wie von den Rolltreppen und/oder Fahrstühlen in den U-Bahnstationen.

Wir sind von PARIS bis FRANKFURT AN DER ODER und zurück gefahren, fast 2500 km und das Bild mit dem entzückenden kleinen Karussell habe ich vor einer der viiielen Baustellen aufgenommen, die unsere Reise bereichert haben – wir durften uns nämlich in Geduld üben!

Unsere erste Station ist die Altstadt von Solingen, das idyllische GRÄFRATH, da genau auf der Hälfte der Strecke Paris-Berlin gelegen. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Rund 120 Häuser zählt der Ortskern, der als Ganzes unter Denkmalschutz steht, ein Juwel !Wir sind völlig überrascht von den liebevoll renovierten schieferverkleideten Fachwerkhäusern über denen würdevoll die Klosterkirche St. Maria Himmelfahrt wacht.

Unser Hotel, der GRÄFRATHER HOF passt von auβen genau ins Bild, aber innen ist es sehr modern und mit viel Geschmack durchgestylt. Wir bekommen ein wunderbar groβes Zimmer mit Kingsize-Betten, Sitzecke und – noch nie gesehen – kleiner Bibliothek über der Minibar ! Im luxuriösen Duschbad machen wir uns frisch und gehen dann in die dem Hotel  angeschlossene Bierbrauerei zum Essen. Selbiges ist ordentlich, kann aber absolut nicht mit dem Frühstückbüffet am nächsten Morgen mithalten. So üppig und qualitatif hervorragend haben wir das selten kennengelernt. Da ist der Preis von 17,50 € wirklich gerechtfertigt.

Wir fahren weiter nach Berlin und passieren die Gedenkstätte HELMSTEDT-MARIENBORN. Sofort kommen wieder die Bilder vom Durchsuchen unseres Autos durch die Vopos hoch. Als Mimi mich etwas später fragt, ob ich die eine oder andere Stadt, auf die vor den Ausfahrten hingewiesen wird, kenne, verneine ich. Zur Zeiten der DDR gab es ja kein einziges Schild, denn es war streng verboten, die « Transitstrecke » zu verlassen.

Als wir in Berlin einfahren, bin ich wieder erschlagen bzw. entzückt von der Anzahl der Bäume, Grünflächen und Parks. Und von der Breite der Straβen! Ich habe mal nachgeschaut, wie die beiden Hauptstädte im Vergleich dastehen : Die Fläche Berlins ist 8-mal so groß wie die von Paris, bei 5-mal weniger Einwohnern. Das macht sich natürlich besonders in den « vornehmen » Bezirken Dahlem, Zehlendorf, Friedenau und Charlottenburg bemerkbar. Berlin ist die an Wald und Wasser reichste Stadt Europas.

Unsere Tauschwohnung liegt unweit des alten Flughafens TEMPELHOF. Sie ist modern, bequem und hat den Vorteil einer geräumigen Dachterrasse auf der wir die ersten beiden Abende verbringen.

DIE 7-SEEN-RUNDFAHRT

Der Sonntag beschert uns strahlend warmes Ausflugswetter und wir fahren hinaus zur Havel. Dort liegt schon unser Schiff, als ob es uns erwartete : vom Kleinen Wannsee werden wir über den Pohl-,den Stölpchen- und dem Griebnitzsee zum Glienickersee, danach durch die Moorlake und die Pfaueninsel zurück fahren. Ich bin richtig aufgeregt und freue mich « wie Bolle », denn es ist auch wieder ein erstes Mal in meinem Leben ! Als wir von 1957 bis 1961 in unserer schönen Villa in Zehlendorf wohnten, waren wir wohl oft im riesigen Strandbad Wannsee – übrigens auch das gröβte europäische mit original Ostseesand ! – aber eine solche Schifffahrt haben wir nie gemacht.

Überall liegen wundervolle Villen mit herrlich gepflegten Gärten am Rand und unser Käpt’n Thomas erzählt uns einiges Wissenswerte.

 Als wir an der Glienicker Brücke vorbeikommen, aus diversen Filmen über ausgetauschte Spione bekannt, erzählt er uns die absurde Geschichte von der Stadt GROSS-GLIENECKE mit und ohne Bindestrich. Groß Glienicke – ohne – war ursprünglich ein eigenständiger Ort im Havelland von dem der östliche Teil 1945 abgetrennt und als „Groß-Glienicke“ – mit –  dem Berliner Ortsteil KLADOW zugeschlagen wurde. Damit  gehörte er nun zu West-Berlin. Der verbleibende Teil verblieb damals als Gemeinde auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone und wurde so später zu einem Bestandteil der DDR.

Auch von der Pfaueninsel weiss er Erstaunliches zu berichten : das Schlösschen ist aus Holz und deshalb darf auf der Insel kein Streichholz angezündet werden. Er behauptet, dass auf das Rauchen eine phänomenale Geldstrafe stehe, dafür habe ich aber keinen Beweis gefunden.Ich weiβ nur noch, dass ich mehrmals als Jugendliche mit der damals noch kostenlosen Fähre auf der Insel war, aber das Schloss noch nicht besichtigt werden konnte.

Zum guten Schluss macht uns der Kapitän noch auf die Sommervilla von MAX LIEBERMANN aufmerksam und legt uns ans Herz, sie zu besuchen. Was wir auch prompt drei Tage später tun.

Aber erst einmal müssen wir uns von dem sagenhaften Orkan der uns mit 105 km/h am 23. Juni abends heimsucht, einigermaβen erholen. Das ist nun schon das zweite Mal, siehe mein Kapitel « Zwei gurken durch den Spreewald » von 2002. Wir können noch von Glück sagen, dass nur der riesige Sonnenschirm unserer Tauschpartner auf der Dachterrasse umfällt, aber ohne den Glastisch zu zerschmettern. Und dass Mimis neues Auto nicht unter einem Baum stand, denn es sind wieder eine Tote und viele Schwerverletzte durch den Sturm zu beklagen! Jedenfalls wollen wir nun einen Tapetenwechsel und gehen für mich einkaufen in der Kantstrasse, Charlottenburg.

EIN PARFÜM NUR FÜR MICH

Harry LEHMANN, ursprünglich aus Schlesien stammend, lieβ sich im südfranzösischen GRASSE zum Parfümeur ausbilden.1926 eröffnete er in Berlin einen ganz eigenen Laden, in dem er selbst hergestellte Parfüms und künstliche Blumen anbot. Damals waren diese eine Neuheit und hatten sogar einen praktischen Zweck, denn die mit Parfüm bestäubten Plastik- oder Stoffblumen konnten den Raumgeruch verbessern.

Geradezu revolutionär war aber die Tatsache, dass Damen unter genau 72 verschiedenen Düften auswählen konnten, die so exotische Namen wie « Wüstenwind, Lambada, Eau de Berlin » trugen. Wem das nicht genügt, kann sich bis heute sogar sein ganz eigenes Parfüm herstellen lassen.  

Wie ich auf den Laden stieβ, weiβ ich nicht mehr, aber sein Enkel, Lutz Lehmann, beriet mich so freundlich im Jahre 2006, dass ich beglückt mit meinem höchstpersönlichen Parfüm nach Paris zurückkehrte. Nun wollte ich sehen, was aus dem Laden geworden war.

2007                                                                                  

2025

Die Gladiolen sind echt und die beiden jungen Männer, Vianney Lancres und Jannis Lucian Groh, die den Laden gekauft und von Grund auf renoviert haben, sind so sehr bemüht um ihre weiblichen wie männlichen Kunden, dass der Erfolg gesichert ist. Innerhalb von 5 Minuten wird meine Kundenkarteikarte gefunden, auf der noch in der Handschrift von Lutz Lehman « Winterparfüm Marén Berg » plus Formel steht. Mir wird gesagt, dass der Preis « leider etwas gestiegen sei » aber das ist mir, nach fast 20 Jahren, klar und eine Viertelstunde später, ziehe ich hochzufrieden mit meinen beiden Zerstäubern zu 52 € das Stück, ab ! Was das wohl in Paris gekostet hätte…

DIE VILLA VOM MALER MAX LIEBERMANN

Am Tag darauf lacht die Sonne wieder mit dem blauen Himmel und den Wattewölkchen um die Wette. Wir fahren erneut hinaus zum Wannsee, um die Villa von Max Liebermann zu erforschen, die er stolz « mein Schloss » nannte und wo er mit seiner Familie die Sommermonate verbrachte.

Zuerst treten wir in den sogenannten Nutz- oder Bauerngarten ein, in dem Blumen und Gemüse in bester Eintracht gedeihen. In diese Schöne verliebe ich mich sofort und werde versuchen, sie in Saint Maur anzusiedeln !

Im Haus selber atmen die Räume beschaulichen Luxus. Viele Bilder von Liebermann gibt es nicht zu sehen, sie sind in der Nationalgalerie und in anderen Museen ausgestellt. Aber den nach eigenen Ideen und mit Hilfe von Gartenteoretiker Alfred Lichtwark gestalteten Garten musste er natürlich hier mehrmals verewigen.

Hinter der Villa ersteckt sich eine imposante Rasenfläche, die bis hinunter zum Wannsee reicht. Ein wunderbarer Birkenweg führt zum Wasser und gegenüber befinden sich mehrere Rosengärten. Wir können uns gar nicht satt sehen an soviel Schönheit !

Selbstverständlich hatte er den eigenen Anlegeplatz für sein Boot im Wannsee.

Seine sogenannten Heckengärten sind einfach perfekt.

Genauso wie der köstliche, hausgebackene Kuchen, den wir auf der Terrasse mit groβem Vergnügen und mit der fantastischen Aussicht verspeisen, bevor wir uns wieder ins Auto schwingen und einmal rund um die KRUMME LANKE wandern, wohin ich als junges Mädchen zum Schwimmen kam. Heute gibt es sogar zwei künstliche Mini-Strände mit Sand, wo sich ein paar Bikinimädchen tummeln. Der Weg ist sehr gepflegt und angenehm. Wie oft bin ich den mit meinen Eltern und meinem Bruder am Sonntag gegangen, wir wohnten ja nur Minuten entfernt.

Am Abend geht ein zweites schweres Gewitter mit immer noch ziemlichem Sturm nieder und wir sind nicht traurig, der Stadt danach den Rücken zu kehren, um das nordöstliche Stück der ehemaligen DDR zu erforschen.

FRANKFURT AN DER ODER UND ODERBRUCH

Hach, bin ich stolz : in nicht mal einer halben Stunde habe ich uns – ohne Navi, nur mit Karte ! – aus Berlin hinaus und auf die richtige Bundesstraβe in Richtung Frankfurt/Oder geführt. Es ist wieder strahlend schönes Wetter und die Straβe ist nicht zu belebt, was uns sehr recht ist, wir wollen ja was von der Landschaft sehen. Diese ist sehr unaufgeregt, riesige Kornfelder, noch nicht abgeerntet, wechseln mit verschlafenen Dörfern ab, in denen noch so manches « braune » Haus  seit 1990 auf einen neuen Anstrich wartet. Zwischen den Dörfern gibt es immense Industriezonen wo Autos und Landmaschinen verkauft werden.

Überall aber auch die schönen Alleen, an Bäumen ist wirklich kein Mangel ! Wir sehen nur ganz wenige Menschen und überhaupt kein Vieh auf den Weiden. Erst 15 Kilometer vor Frankfurt werden die Häuser moderner und geradezu kokett – man merkt, dass die Menschen hier Arbeit haben.

Frankfurt selbst enttäuscht uns etwas, wir finden die Altstadt sehr « neu ». Ende des zweiten Weltkrieges war die Stadt fast ganz zerstört. Netterweise wollten die Herrschaften der DDR sie zu einer « sozialistische Industriestadt » machen.

Erst 32 Jahre nach dem Mauerfall wurde mit dem Neubau des Viertels rund um das erhaltene Rathaus und die Marienkirche begonnen – für uns leider wirklich keine gelungene Sache. Trotzdem haben wir, wie so oft auf unseren Reisen, Glück : als wir nämlich St. Marien betreten, schallt uns Chorgesang entgegen ! Wir sind in einen Wettbewerb der Chöre geraten und bleiben eine ganze Weile, denn was dort geboten wird, ist zum Teil sehr gut und geht uns zu Herzen.

Danach gehen wir an der Oderpromenade Kuchen essen, mit Blick auf die berühmte Brücke, die Deutschland mit Polen verbindet – und abends rundet ein vortreffliches vietnamesisches Essen den Tag ab.

IM MÄRKISCH-ODERLAND

Von all den Dörfern, die wir seit Frankfurt durchfahren haben, wird uns nur Bad Freienwalde in Erinnerung bleiben, weil es einen hübschen alten Stadtkern hat  – und einen Italiener mit köstlichem « Tiramisu « !

Hier herum ist das Land sehr hügelig, was man schon an den vielen Namen mit der Endung « berg » sieht. Denn auf den Hügeln standen damals Burgen und manche Aussichtstürme stehen heute noch. Wir fahren also über Dannenberg, Wonnenberg und Falkenberg nach ODERBERG. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Hohenzollernkanal gebaut, der heutige ODER-HAVEL-KANAL, welcher die beiden Flüsse mit einander verbindet. Über eine leider nicht geteerte Straβe kommen wir, gut durchgerüttelt, zu unserem Ziel, dem RIVERSIDE-INN.

Der Hausherr, Patrick von Kriencke, führt uns höchstselbst in unser hübsches Zimmer mit diesem herrlichen Blick durch das Mückengitter auf Garten und Fluβ. Netterweise erklärt er uns auf Französisch alle « included » Annehmlichkeiten…

Ich möchte ausnahmsweise aus der HP des Hotels zitieren :

IN DER EINFACHHEIT LIEGT IMMER AUCH EIN STÜCKCHEN LUXUS….

Schon seit 1863 kommen Gäste an den Fuß des Teufelsberges zwischen Oderberg und Liepe. Malerisch am Wasser stand hier einst « Melzers Gasthaus » und war mit Dampferanleger bis nach Berlin und Stettin bekannt. 

Seit 2018 führen Patrick und seine Frau Katharina (die sich « nebenbei » auch noch liebevoll  um den groβen Garten kümmert) das Hotel, zu dem auch ein Seminarraum gehört und wo man Kanus ausleihen kann, um damit auf dem Kanal zu paddeln. Wir stürzen uns gleich auf die Bibliothek, um uns Bücher auszuleihen und gehen dann auf die angenehmen Ruheliegen in den Garten. Hach, ist das schön hier, einfach fantastisch, höchst empfehlenswert !!

Kaum sitzen wir am Tisch und studieren die Speisekarte, da kommt auch schon Patrick mit einem guten Grauburgunder und als ich ihn frage, was er mit den Sauerkirschen am Baum vor uns macht, sagt er lächelnd : « Gar nix, die sind für die Kinnings ! » Nun braucht er mir nicht mehr zu sagen, dass er aus Berlin stammt, denn das Wort habe ich vor gefühlten 65 Jahren von meiner Mutter gehört, die meinem Bruder und mir sagte : « Kinnings, macht keinen solchen Krach, die Patienten kommen gleich… !»         

Wir essen die Spezialität der Gegend, nämlich Pierogi, mit Käse gefüllte kleine Teigtaschen, wie man sie aus Polen kennt und sehr gute Fischfilets. Zum Abschluss spendiert uns der Chef noch einen Birnenschnaps und so schlafen wir ungewiegt, sanft und selig ein.

Am nächsten Morgen, nach dem sehr gut bestückten und reichlichen Frühstücksbüffet, das netterweise auch noch im Zimmerpreis inbegriffen ist, wenden wir uns an die Chefin. Wir möchten eine kleine Wanderung von ca. 1 ½ Stunden machen, wenn möglich mit schönen Ausblicken auf Wasser und Natur. Da sind wir bei Katharina genau an der richtigen Adresse, sie weist uns Richtung und Weg.           

Nach einer ruckeligen Fahrt auf der Straβe von gestern, enden wir auf dem Parkplatz von LIEPE und finden auch sofort  – dank der Wegwarte ? – die Brücke über den Oderkanal und unsere Route durchs Naturschutzgebiet.

Was nun folgt, ist reines Entzücken : die Sonne, « eine lauer Wind, der durch mich fährt », das jubelnde Vogelgezwitscher und der nicht enden wollende Kuckucksruf, demnach wir beide mindestens 120 werden. Schmetterlinge und Libellen umgaukeln uns und dann kommen wir zu einem riesigen Baum, in dem – wir fragen uns, wie die dahin gekommen sind – zwei Paar Schuhe baumeln….

Wir fallen uns vor Lachen und Begeisterung über diesen wundervollen Vormittag in die Arme. Schöner kann es nicht mehr werden und so schmettern wir aus voller Kehle und ebenso vollem Herzen :

« Es sind die einzigartigen tausendstel Momente, das ist, was man Sekundenglück nennt »

Unseres hat immerhin 85 Minuten gedauert !

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